Endgültig ausgeschlossen können Pflichtteilsrisiken lediglich durch einen Pflichtteilsverzicht (§ 2346 Abs. 2 BGB), der notariell beurkundet werden muss (§ 2348 BGB) und regelmäßig auf geringe Akzeptanz bei den Pflichtteilsberechtigten stößt. Die wohl einfachste – wenn auch am wenigsten praktikable – Möglichkeit um Pflichtteilsansprüche zu reduzieren bzw. ganz zu vermeiden, ist der Verbrauch des Vermögens durch den Erblasser zu Lebzeiten, der bei dieser Strategie jedoch Gefahr läuft, in eine für ihn nicht absehbare finanzielle Notlage zu geraten. Eine lebzeitige Übertragung des Vermögens durch den Erblasser gegen Entgelt an einen Dritten minimiert Pflichtteils-/Pflichtteil-Ergänzungsansprüche nur dann, wenn die Gegenleistung, die der Erblasser erhält, einen geringeren Wert als der veräußerte Vermögensgegenstand hat und nicht von einer gemischten Schenkung auszugehen ist, die unter den Bedingungen des § 2325 BGB ergänzungspflichtig wäre.
Die Reduzierung von Pflichtteilsansprüchen bei einer entgeltlichen Veräußerung kann erreicht werden, wenn es sich bei der erhaltenen Gegenleistung um einen höchst persönlichen Anspruch handelt, der für Dritte nicht nutzbar ist, wie z.B. die Veräußerung des Vermögens gegen eine Leibrente auf Lebenszeit.
Sollte sich der zukünftige Erblasser bereits zu Lebzeiten für Schenkungen an spätere Pflichtteilsberechtigte entschließen, eröffnet § 2315 BGB die Möglichkeit der Reduzierung von Pflichtteilsrisiken. Der Schenkende muss jedoch zwingend beachten, dass vor oder spätestens bei der freigiebigen Zuwendung (der Begriff der freigiebigen Zuwendung ist weiter gefasst als der der Schenkung und umfasst auch Ausstattungen, z.B. zum Zweck der Existenzgründung) von ihm die Anordnung zur Anrechnung auf den Pflichtteil getroffen wird. Aus Beweisgründen sollte eine derartige Anordnung – falls nicht bei bestimmten Geschäften formpflichtig, wie bei der Schenkung eines Grundstücks: hier ist die notarielle Beurkundung erforderlich – immer schriftlich – mit Zugangsnachweis – erfolgen.
Um die Aushöhlung des Pflichtteilsrechts zu verhindern, hat der Gesetzgeber für den Fall von Schenkungen unter gewissen Voraussetzungen einen sogenannten Pflichtteil -Ergänzungsanspruch (§ 2325 BGB) geregelt. Hat der Erblasser lebzeitige Schenkungen vorgenommen, so unterliegen diese der Ergänzungspflicht, d.h. der Anspruch des Pflichtteil -Ergänzungsberechtigten beträgt die Hälfte des Betrages, um den sich der ordentliche Pflichtteil – ohne Schenkung – erhöhen würde. Die vom Gesetzgeber mit der Erbrechtsreform eingeführte „Abschmelzungsregel“ bewirkt, dass der für die Pflichtteilsergänzung beachtliche Wert der Schenkung pro Jahr um 1/10 reduziert wird. Deshalb sollte – zumindest aus dem Gesichtspunkt möglicher Pflichtteil -Ergänzungsansprüche – eine geplante Schenkung nicht zu lange hinausgeschoben werden, da über die Abschmelzungsregel (§ 2325 Abs. 3 BGB) eine Schenkung unberücksichtigt bleibt, wenn 10 Jahre vergangen sind.
Ein Fallstrick: Bei Schenkung an den Ehegatten beginnt die 10-Jahresfrist nicht vor Auflösung der Ehe (§ 2325 Abs. 3 S. 2 BGB), d.h. Schenkungen, die zur Abschmelzung des Pflichtteil -Ergänzungsanspruchs führen sollen, können an Kinder und Dritte vorgenommen werden, aber nicht an den Ehegatten.
Die Problematik der 10-Jahresfrist besteht jedoch nicht nur bei einer möglichen Schenkung an den Ehegatten, sondern auch beispielsweise bei Grundstücksübertragungen, die unter Rückforderungsvorbehalt – wie in sehr vielen Verträgen üblich – gestellt werden, d.h. es ist stets zu prüfen, ob – trotz Umschreibung im Grundbuch – eine Leistung im Sinne des § 2325 Abs. 3 BGB erfolgt ist. Der sicherste Weg wäre bei einer Übertragung auf Rückübereignungsvorbehalte aller Art zu verzichten, was jedoch in der Regel nicht im Interesse des Übergebenden liegt, der zumindest sicherstellen möchte, dass der Grundbesitz für die Familie erhalten wird. Auf diese Problematik ist bei jeder lebzeitigen Grundstücksübertragung zu achten, aber auch bei der möglichen Prüfung der Frage, ob Pflichtteil -Ergänzungsansprüche geltend gemacht werden können, d.h. in jedem Fall ist zu prüfen, ob die 10-Jahresfrist des § 2325 Abs. 3 BGB durch die Übertragung – auch wenn diese bereits länger als 10 Jahre zurückliegt – wirksam in Gang gesetzt wurde.
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